Einführung in die Ausstellung Mike Strauch – EXIT von Asja Wolf

Mike Strauch – EXIT

26. September – 23. Oktober 2020

Die Galerie A.G. zeigt aktuelle Arbeiten von Mike Strauch auf den Experimentierfeldern der Malerei und Zeichnung, entrückte Landschaftsausblicke von zärtlicher Radikalität. Ein motivisches Kontinuum bildet die unmittelbare Umgebung des mecklenburgischen Schaffensortes und speist sich gleichsam aus in der Fremde erlebter morbider Schönheit. Mike Strauch ist ein Meister im Inszenieren aufgeladener Stimmungslandschaften, in denen sich die Intensität des flüchtigen Augenblicks manifestiert. Seinen Bildern wohnt die Poesie einer ursprünglichen Natur inne, obgleich sie die bedrohliche Gegenwartsperspektive indirekt kommentieren. Der Mensch ist nie als Protagonist präsent, die Spuren seiner Domestikation artikulieren sich in immer wiederkehrenden utopischen Bauwerken, deren architektonischer Brutalismus in den Wettstreit mit der Kraft der Natur tritt und gleichsam auf das menschliche Bedürfnis nach Geborgenheit und Stabilität (in instabilen Zeiten) verweist. Neben Landschaften bestehen auch rein abstrakte Arbeiten, die spielerisch seine Stärke einer kompositionsgebunden Bildsprache zelebrieren. Seit einiger Zeit finden auch Fragmente von Blüten, vor allem Tulpen, Eingang in seine Bildwelten. Die Tulpe ist metaphorisch als Symbol für Eroberung, Erfolg oder Eros aufgeladen. Die Jahrhunderte alte Geschichte dieser Blume – Importschlager aus dem Orient, exotische Gartenpretiose und vor allem legendäres Spekulationsobjekt im 17. Jahrhundert -, das alles sickert nach und nach mit in den Bildraum und bildet eine Brücke zu einer desaströsen Gegenwartsbeschreibung.
Strauchs Malereiauffassung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Ordnung und Chaos. Er spielt mit der Überlagerung von Indikatoren unterschiedlicher Malerei-Konventionen (illusionistische Zonen, gestische Markierungen mit Sprühfarbe, erratische Linien; spontane und mittelbare Formen der Malerei; Kontrolle und Kontingenz).
Der Befreiung der Malerei aus der überholten Theoriestarre zu Beginn des 21. Jahrhunderts entspringt auch die Verheißung des Ausstellungstitels: „Exit“ – Malerei als Zufluchtsort, eine Art hermetischer Schutzraum und Ausdruck von eroberter Freiheit.
Bei Strauch kommt es zur Verschränkung von malerischen Idiomen, zur Integration von nicht-künstlerischen oder destruktiv konnotierten Praktiken des Farbauftrags, die gleichzeitig zur verbindlichen Form eines Bildes beitragen. Luminöse Farbmodellierungen von verführerischer Weite der beherrschenden Morgen- und Abenddämmerungen werden durch abstrakte Partien gebrochen, die gewissermaßen als Bildstörungen funktionieren und die Konzentration auf Fragestellungen des malerischen Prozesses lenken.
Dabei entspricht die spezifische Ästhetik einer besonderen Sinnlichkeit von Malerei, die den Genuss seiner eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten realisiert. Bei der Betrachtung seiner Bilder kehrt Stille ein. Vielleicht sogar ein bisschen Ehrfurcht, die das Erleben der in Malerei verdichteter Schönheit vor dem Hintergrund der Fragilität dieses paradiesischen Zustands einfordert.
Asja Wolf